Dies ist ein Beitrag zur Interviewreihe für leise Unternehmerinnen. Mit jedem Beitrag stelle ich dir eine leise Unternehmerin vor. Ich möchte dir zeigen, dass es viele leise Unternehmerinnen gibt, die ganz wertvolles zu geben haben und ähnliche Erfahrungen wie du gemacht haben.
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Zuerst liest du hier die wertvollen Antworten von Paula Marie Berdrow als Sprecherin & Kommunikationspädagogin. Am Ende kannst du sie genauer kennenlernen. 🙂
Was erschaffst und bewirkst du mit deinem Business?
Mit meiner Arbeit als Kommunikationspädagogin möchte ich dazu beitragen, dass auch introvertierte, stille und zurückhaltende Menschen ihre Gedanken aussprechen und ihre wertvollen Ideen mit der Welt teilen können. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass wir etwas zu sagen haben, und dass unsere Ideen ebenso gebraucht werden, wie die von „lauten“ oder extravertierten Menschen.
Aber im Alltag ist das oft gar nicht so einfach:
- Die Kommunikation kostet uns Energie. Meetings und Präsentationen, aber auch Treffen mit Freund*innen können wir nur in begrenztem Ausmaß bewältigen.
- Wir denken gerne gründlich über etwas nach, bevor wir uns äußern. Dadurch sind wir in Gruppendiskussionen oft langsamer als andere – wenn wir einen Gedanken fertig gedacht haben, sind sie schon 3 Schritte weiter.
- Wir sind oft sehr selbstkritisch. Wenn wir etwas sagen, soll es auch gut sein, deshalb melden wir uns seltener zu Wort und werden von anderen, die eher auf Quantität achten, übersehen.
- Vor anderen Menschen zu sprechen, kann für uns ganz schön aufregend sein. Es ist ein Moment des Sichtbarwerdens, der von Ängsten und Gedanken begleitet wird: Wie werden die anderen reagieren? Habe ich etwas Wichtiges übersehen? Werden sie mir überhaupt zuhören?
Deshalb möchte ich stillen und zurückhaltenden Menschen Mut machen. Mut, sich zu zeigen und ihre Gedanken auszusprechen. Mut, ihre Ziele und Wünsche zu verfolgen. Aber auch, Kommunikation auf ihre Art zu machen. Denn in der Kommunikation gibt es keine Standardrezepte, die allen zum Erfolg verhelfen. Es kommt immer darauf an…
- auf Dich: Wer bist Du? Womit fühlst Du Dich wohl? Wo liegen Deine Stärken?
- auf Dein Gegenüber: Mit wem sprichst Du? Was bewegt diese Person? Was ist ihr wichtig?
- auf die Situation: Welche Faktoren drumherum haben einen Einfluss? – Deine berufliche Rolle zum Beispiel, aber auch der Ort, die Atmosphäre oder die Vorgeschichte.
Diese Aspekte schaue ich mir mit meinen Kund*innen zusammen an. Manchmal scheinen sie sich zu widersprechen, aber meistens gibt es am Ende doch einen Weg, wie sie ihre kommunikativen Herausforderungen auf die eigene, leise Art meistern können.
Susan Cain stellt in ihrem Buch „Still“ die These auf, dass eine Gesellschaft den Ausgleich und die Mischung der verschiedenen Perspektiven von Introvertierten und Extravertierten braucht. Wenn alle laut, draufgängerisch und risikofreudig sind, funktioniert es ebenso wenig, wie wenn alle still, vorsichtig und bedacht sind. Aber wenn Personen mit verschiedenen Temperamenten an wichtigen Entscheidungen mitwirken, kommt es zu einem Ausgleich, und dann entstehen richtig gute Sachen.
Hattest du schon mal eine Herausforderung, die im Zusammenhang mit deiner leisen, introvertierten Seite stand?
Ja, die hatte ich, und zwar in meiner Studienzeit. Ich habe Literaturwissenschaft studiert und nebenbei die Ausbildung zur Sprecherzieherin gemacht. An dieser Stelle werde ich immer gefragt, was das ist, deshalb erkläre ich kurz:
Viele denken bei dem Begriff „Sprecherziehung“ erstmal an Logopädie, aber das trifft es eigentlich nicht. In meiner Ausbildung habe ich ganz viel über mündliche Kommunikation gelernt – wie komplex sie ist, von welchen Faktoren sie abhängt und wie man sie verbessern kann. Die Stimme war ein Bereich, aber wir haben uns auch viel mit Rhetorik beschäftigt und außerdem mit künstlerischem Sprechen auf der Bühne. So wurde ich im Grunde zur Sprech- und Kommunikationstrainerin ausgebildet.
Als ich die theoretischen Anteile hinter mir hatte, habe ich angefangen, Kommunikationsseminare zu geben. Mit den Praxisstunden für meine Ausbildung fing es an, und dann wurde ich von Kolleg*innen gefragt, ob ich nicht vielleicht dieses oder jenes Seminar übernehmen möchte. Das waren zum Beispiel Rhetorikseminare an der Volkshochschule, Blockseminare, die über ein Wochenende gingen, manche sogar über 4-5 Tage.
Am Anfang fand ich das großartig. Ich freute mich richtig auf die neue Herausforderung und fühlte mich gut vorbereitet. Nach den ersten Seminaren bekam ich tolle Feedbacks, also war für mich klar, dass ich weitermache.
Aber nach einer Weile stellte sich so ein komisches Gefühl ein, das immer stärker wurde. Die Seminare strengten mich extrem an. Ich entwickelte einen Widerwillen und hoffte jedesmal, dass irgendwas dazwischenkäme, damit ich das Seminar nicht geben muss.
Und da war noch etwas. Ich konnte es erst gar nicht greifen, aber nach einem Seminartag im Herbst formte es sich plötzlich zu einem klaren Gedanken: „Es fühlt sich an, als würde ich versuchen, etwas zu sein, was ich nicht bin.“
Puh, das war eindeutig. So etwas wollte ich nicht. Also gab ich meine Seminare nach und nach ab und verordnete mir eine Pause. Ich brauchte Zeit, um herauszufinden, was los war. Was mich an den Seminaren störte, und ob das überhaupt etwas für mich war. Ungefähr zwei Jahre lang habe ich pausiert. In der Zeit habe ich mein Studium abgeschlossen und in verschiedenen, ganz anderen Jobs gearbeitet.
Außerdem schrieb ich meine Gedanken auf, widmete mich kreativen Projekten und dachte darüber nach, wie ich leben und was ich eigentlich bewirken wollte. Dabei begegneten mir immer wieder Inhalte zum Thema Introversion, und ich fing an, meine Beobachtungen zu einem Gesamtbild zu zusammenzufügen.
Bedürfnis nach Ruhe
Ich brauchte mehr Ruhe und Rückzug als viele andere in meinem Umfeld und fühlte mich deswegen immer wieder schlecht. Je nachdem, wie es mir ging, gab es Tage, an denen genoss ich den Kontakt mit anderen Menschen. An anderen wollte ich einfach nur in Ruhe gelassen werden.
Ein Seminar über mehrere Tage war für mich auch deswegen so anstrengend, weil ich nonstop mit einer Gruppe zusammen war. Und nicht nur das: als Seminarleitung musste ich immer präsent sein und auf die Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen. Die Pausen nutzte ich meistens, um mein Konzept für die nächste Einheit anzupassen und die Materialien für meine Übungen vorzubereiten. So waren meine Energiereserven ganz schnell aufgebraucht. Ich hatte meine Bedürfnisse nicht im Blick gehabt und war deshalb an meine Grenzen gestoßen.
Was ist eigentlich gute Kommunikation?
Außerdem wurde ich in den Seminaren mit einer klischeehaften Vorstellung von Rhetorik – und von mir als Rhetoriktrainerin – konfrontiert: immer wortgewandt und schlagfertig, selbstsicher in jeder Situation und möglichst ohne Widersprüche oder Unperfektheiten. Ich will ganz ehrlich sein, ich hatte das auch selbst ein bisschen verinnerlicht und fühlte mich unzulänglich, weil ich spürte: das bin ich nicht.
Gleichzeitig wusste ich, dass das nicht wirklich meiner Vorstellung von guter Kommunikation entsprach, die wertschätzend, respektvoll und empathisch sein sollte. Klar und strukturiert, das auch. Aber vor allem wertschätzend und so, dass sich niemand verstellen muss.
Introvertierte Stärken
So kam ich endlich dazu, mich mit meinen kommunikativen Stärken auseinanderzusetzen: Ruhe, Empathie, Fokus und Struktur und gutes Zuhören. Wenn ich in meiner Energie bin, kann ich mich wirklich voll und ganz auf meine Gesprächspartner*innen einlassen. Ich bin dann ganz im Moment, präsent, aufmerksam und empathisch. Ich höre Details heraus, die anderen entgehen und achte in der Gruppe darauf, dass alle gehört werden. Gleichzeitig kann ich gut mit Worten umgehen und schaffe es, komplexe Ideen einfach zu verpacken.
Meine Schwächen sind Spontaneität und Schlagfertigkeit. Da fehlt mir einfach die Zeit, um mir eine Meinung zu bilden und meine Argumente sorgfältig abzuwägen. Außerdem wirkt meine ruhige Art auf verschiedene Menschen unterschiedlich – für manche ist es angenehm beruhigend, andere langweilen sich und wünschen sich mehr Anregung. Und ja, manchmal rede ich auch um den „heißen Brei“ herum, sage „vielleicht“ und „könnte eventuell“ oder es drängeln sich mehr „ähm“s dazwischen, als mir lieb ist.
Worauf kommt es an?
Aber das sollte nicht darüber entscheiden, ob ich eine gute Kommunikationstrainerin – oder, wie ich heute sage, Kommunikationspädagogin bin. Denn das sind oberflächliche Dinge, an denen ich weiter arbeiten kann.
Viel wichtiger ist das Grundgerüst: meine Kompetenz, Kommunikation zu verstehen und anderen verständlich zu machen. Die Fähigkeit zu erfassen, was meine Kund*innen brauchen und mit ihnen zusammen wirkungsvolle Strategien zu entwickeln. Und die wertschätzende Haltung, die hinter allem steht. Der feste Entschluss, die Kommunikation um mich herum zu verbessern, indem ich dazu beitrage, dass sie offener, freundlicher und respektvoller wird.
Das ist es, was zählt, und deswegen arbeite ich heute auch wieder als Kommunikationspädagogin. Aber auf meine Art! Mit Schwerpunkt auf 1:1-Angeboten, bei denen ich meine ganze Aufmerksamkeit einer Kund*in widmen kann. Bald vielleicht auch mit kurzen Impuls-Workshops. Und vor allem mit Sensibilität für die Bedürfnisse und Herausforderungen introvertierter Menschen.
Was ist deine leise Superkraft und wie setzt du sie für dein Business/deine Kunden ein?
Ich glaube, dass meine ruhige Ausstrahlung ein wichtiger Faktor in meinen Trainings ist. Sie hilft mir, eine freundliche und konzentrierte Atmosphäre zu schaffen und ein Gefühl von Sicherheit. Und sie ist auch ein Indikator für mich. Wenn ich wirklich in meiner Mitte bin und diese Ruhe spüre, dann kann ich auch meine Arbeit gut machen.
Auch Kreativität ist eine wichtige Ressource. Nicht nur, wenn ich selber künstlerisch als Sprecherin arbeite, sondern auch in meinen Trainings. Sie zu gestalten, ist für mich auch ein kreativer Prozess. Ich stelle eine Dramaturgie zusammen, manchmal erfinde ich neue Übungen oder wandle alte ab. Ich finde sprachliche Bilder und Vorstellungsbilder, die eine Veränderung greifbar machen. Und am Ende ist es ein Prozess, den ich anstoße, aber nicht alleine gestalte. Das Einlassen auf meine Kund*in, das gemeinsame Entwickeln und Ausprobieren mag ich sehr, es braucht eine Mischung aus Loslassen und Gestalten.
Und dann ist da noch der Flow – wenn ich ganz im Moment bin und in dem, was ich mache, aufgehe. Das finde ich sehr schön, egal ob es auf der Bühne ist oder zu Hause am Schreibtisch oder bei einem Training. Ich weiß nicht, ob das eine Superkraft ist. Ich glaube, es ist eigentlich etwas sehr menschliches. Wenn ich diese Momente in meiner Arbeit erlebe, fühle ich mich ganz eng mit ihr verbunden. Ganz lebendig. Und weil es sich dann so intensiv und gleichzeitig leicht anfühlt, ist es ein bisschen so, als wäre da gerade eine Superkraft am Werk.
Welche Gemeinsamkeiten erkennst du zwischen dir und deinen Kunden?
Ich denke, meine Kund*innen und ich teilen einige Erfahrungen, weil wir als introvertierte Personen mit einer eher lauten, extravertiert orientierten Umgebung konfrontiert sind.
Manche Dinge kann man dann einfach eher nachvollziehen – zum Beispiel den inneren Kampf, wenn Du zu einer Feier oder einem Treffen eingeladen bist und eigentlich lieber zu Hause bleiben würdest. Du willst aber Deine Freund*innen nicht enttäuschen. Wer weiß, ob sie Dich wieder einladen, und was sollst Du überhaupt sagen – tut mir Leid, ich habe keine Lust?
Die Erfahrung, einem Gruppengespräch zu folgen und in Gedanken eigene Beiträge zu formulieren. Immer wieder vor der Entscheidung zu stehen, ob man den Gedanken jetzt ausspricht oder nicht – und es oftmals nicht zu tun, weil man sich doch noch nicht so ganz sicher ist, oder weil jemand anderes schneller war, oder weil es auch schön ist, ihn einfach für sich gedacht zu haben.
Oder das Herzklopfen, wenn Du in einem Seminar sitzt und alle sollen sich der Reihe nach vorstellen. Je näher mein Moment rückt, desto doller klopft mein Herz, das ist bis heute so.
Mir ist aber auch wichtig, hervorzuheben, dass ich nicht alle Erfahrungen introvertierter Menschen kennen und nachempfinden kann, denn das Temperament ist ja nur ein Aspekt unserer Persönlichkeit und auch da gibt es Unterschiede.
Ich komme zum Beispiel aus einer Familie, die sehr ruhig und zurückgezogen lebt. Obwohl ich introvertiert bin, habe ich mir als Kind manchmal einen Ausgleich gewünscht, zum Beispiel ein großes Familientreffen mit richtig viel Trubel. Und manchmal, zum Beispiel auf der Bühne, wenn ich eine Rolle spiele, dann genieße ich es auch, richtig laut zu sein. Türen zu knallen und zu schreien und expressiv zu sein. Da kommen andere Anteile in mir zum Vorschein. Sie mögen im Alltag nicht so stark sichtbar sein, und doch sind sie Teil meiner ganz persönlichen Mischung.
Ich glaube, wenn man in einem pädagogischen Beruf arbeitet, ist es wichtig, sich selbst gut zu kennen, aber auch ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie unterschiedlich die Menschen sind.
Wenn ich zum Beispiel mit Rollenspielen arbeite, dann lasse ich Vorsicht walten, weil ich weiß, dass das sehr herausfordernd sein kann. Ich erkläre erstmal ganz genau, was ich vorhabe, wie das ablaufen kann und wozu es gut ist. So gebe ich meinen Kund*innen Zeit, um sich darauf einzustellen. Dann frage ich sie, ob sie Lust haben, mitzumachen. Außerdem gebe ich mir Mühe, drumherum möglichst wenig Erwartungen aufzubauen. Diese Sensibilität kommt auch daher, dass ich selbst einmal erlebt habe, wie es ist, ohne Vorwarnung in ein Rollenspiel hineingeworfen zu werden.
An anderen Stellen fehlt mir die eigene Erfahrung. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie es ist, beim Sprechen mit starken Ängsten konfrontiert zu sein. Da muss ich mich gut informieren und vor allem in einem guten Kontakt zu meinen Kund*innen sein und ihre Erfahrung ernst nehmen.
Was möchtest du anderen leisen Unternehmerinnen mitgeben?
Lass Dir nicht vorschreiben, wie du etwas zu machen hast. Es gibt immer ganz verschiedene Wege, um ein Ziel zu erreichen. Im Bereich Kommunikation und Rhetorik gibt es viele Tipps und Checklisten, die so als „1 fits all“ Lösung daherkommen. Mach Dir keine Sorgen, wenn Dich das nicht so anspricht – es gibt kein 1 fits all. Aber es gibt ganz bestimmt einen Weg für Dich, wie Du mit einem Gefühl der Sicherheit und Freude mit anderen in Verbindung kommen kannst.
Schreib gerne deine Gedanken zum Interview in die Kommentare! 🙂
Das ist Paula Marie Berdrow – Sprecherin & Kommunikationspädagogin:
Paula Marie Berdrow ist Sprecherzieherin (DGSS) und hat einen Masterabschluss in Komparatistik/Kulturpoetik.
In ihrer Studienzeit in Münster fing sie an, Seminare für Rhetorik, Kommunikation, Sprechkunst und Stimme zu geben. 2021 legte sie ihren Schwerpunkt auf 1:1 Angebote für Menschen, die, wie sie selbst, eher introvertiert sind. Mittlerweile blickt sie auf 8 Jahre Berufserfahrung als Trainerin zurück. Sie vertritt einen ganzheitlichen und kooperativen Ansatz und hostet zusammen mit Lena Bodenstedt den Kommunikationspodcast Herz & Zunge.
Als Sprecherin im Rahmen von Lesungen, Rezitationen und Studioaufnahmen lässt sie Texte für ihre Zuhörer*innen lebendig werden. 2019 konzipierte sie den Rezitationsabend „Droste Salon: Drey Elisabeth“ für Burg Hülshoff – Center für Literature. Als Ensemblemitglied von Theater en face ist sie regelmäßig auf der Bühne zu sehen.
Hier findest du mehr Infos über Paula:
Paulas Website: https://paulamarieberdrow.de/
Paula bei Instagram: https://www.instagram.com/paulamarieberdrow/
Herz & Zunge – der Podcast über Kommunikation: https://www.herzundzunge.de
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